Genauer hingeschaut: Die Gestalt-Theorie

Der Begriff „Gestalt“ weist darauf hin, dass kreativ gearbeitet wird.

Darüber hinaus hat er aber auch eine tiefere Bedeutung. Er steht für eine ganzheitliche Sicht des Menschen, in der Körper, Seele und Geist eine Einheit bilden. Der Mensch wird begriffen in wechselseitiger Beziehung mit seinem jeweiligen Umfeld (privat wie beruflich). Eine „Gestalt“ bedeutet in der Psychologie eine Erlebniseinheit, deren Einzelheiten zusammengehören und als Ganzes aufgefasst werden.In der Ästhetik wird die „Gestalt“ als innere und äußere Erscheinungsform der Persönlichkeit beschrieben.

In der konkreten Arbeit werden Situationen ganzheitlich – im Fühlen, Denken und Handeln- erfahrbar gemacht. Bewusstheit wird erweitert, Geschehnisse im Außen und eigenes Erleben können dadurch prägnanter wahrgenommen und aus neuer Perspektive betrachtet werden.  Der Zuschauer  kommt in Kontakt mit sich und seinen inneren und äußeren Ressourcen.

Gestaltarbeit ist für uns pädagogisch-theatraler Ansatz, indem wir Gesetze und Konzepte der Gestalttheorie auf Bereiche der Workshop-  und Projektarbeit und auch des Puppenspiels, anwenden. Die Puppe als kreatives Medium fungiert als Stellvertreter für eigenes Fühlen, Erleben und Handeln. Erfolge der Arbeit mit Gestaltgesetzen sind beispielsweise zu beobachten in den Bereichen Achtsamkeit, Konzentration, Lernfähigkeit, Entwicklung von eigener Phantasie und Kreativität, die zur Lösungsorientierung, Teamfähigkeit und letztlich auch zur Entfaltung der Persönlichkeit beitragen.

Grundansätze in der Gestalttheorie
Der Mensch ist seinem Wesen nach gut, wenn man ihm ermöglicht, diese wahre Natur auch auszudrücken. Psychische Probleme haben ihren Ursprung in Frustration und der Verleugnung des angeborenen Guten. Daher konzentriert sich die Gestaltarbeit statt auf negative Merkmale des Menschen, auf seine positiven und kreativen Aspekte: Das Streben nach Entdecken und Umsetzen seiner inhärenten Möglichkeiten, das Streben nach Selbstaktualisierung und nach Selbstverwirklichung. Kein Wunder also, dass in Märchen z.B. fast immer das Gute siegt und am Ende Harmonie, Freude und Erlösung ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit auslösen. All diese Merkmale und Aspekte übernehmen beim Puppenspiel stellvertretend die Figuren.

Bedürfnisse, Wünsche und Ängste zu erkennen, zu verstehen, zu akzeptieren und zu begreifen, wie unsere Ängste das Erreichen von Zielen und die Befriedigung von Bedürfnissen behindern, hilft, sich selbst besser kennen zu lernen und seine Möglichkeiten besser zu nutzen. Die Gestalttheorie geht davon aus, dass sich jeder Mensch seine Existenz täglich neu erschafft. Dieser Ansatz hat eine ressourcen- und potentialorientierte Ausrichtung, ist eine Einladung zu Awareness*. Er zielt wesentlich darauf ab, bestehende innere und äußere Ressourcen zu stärken, Potentiale zu entfalten und den Einzelnen zu befähigen, den Kontakt zwischen sich und seinem Umfeld sinnerfüllt, schöpferisch und zielführend zu gestalten – mit einem Wort: er zielt auf die Entwicklung von Sozialkompetenz ab. Verstärkter Zugang zu Gefühlen, Gedanken, Wünschen und Bedürfnissen wird ermöglicht, Erlebens- und Handlungsspielräume werden erweitert und die Fähigkeit zur individuellen Selbstregulation wird erhöht. Blockaden, Symptome oder Muster, die nicht mehr zielführend sind, können über neue Erfahrungen und kreative Umstrukturierungen verändert und gelöst werden. Lebendigkeit, Klarheit, sinnhafte Verortung** und ein gestärktes Selbstvertrauen und Identitätsgefühl stellen sich ein. Der einzelne Zuschauer erfährt die Figur, mit der er sich identifiziert, und damit sich selbst als wachen und kreativen Gestalter seines Lebens.

*Awareness: Meint sowohl eine absichtslose, aktive, innere Haltung der Aufmerksamkeit/Achtsamkeit, als auch eine mehr gerichtete Form der Aufmerksamkeit/Achtsamkeit, die sich auf alle Phänomene der Wahrnehmung und des Erlebens bezieht
**Verortung: Meint die Bestimmung des Platzes in der Gesellschaft, die der Einzelne innehat und/ oder die er neu definieren will.